mc-rezension-resident_Steiner
Steiner – das eiserne Kreuz
(Kriegsfilm, GB/BRD 1976, Regie: Sam
Peckinpah)

Inhalt:
Ostfront 43/44, Russland, Taman-Halbinsel: Die deutschen Truppen
befinden sich auf dem Rückzug vor der immer weiter
vorrückenden Roten Armee. Inmitten dieses Hexenkessels steht
Unteroffizier Rolf Steiner (James Coburn), der jeglichen Glauben an den
„vaterländischen Krieg“ längst
verloren hat und nur noch versucht, sich und seine Männer so
gut wie möglich durchzubringen. Als er mit seinen Soldaten
gerade in einem Stoßtruppunternehmen unterwegs und auf dem
Weg zurück zum Gefechtsstand ist, trifft Hauptmann Stransky
(Maximilian Schell) beim Kompaniekommandanten Oberst Brandt ein.
Stransky, ein preußischer Aristokrat, liess sich freiwillig
von Biarritz (Frankreich) nach Russland versetzen, da seiner Meinung
nach "fähige Männer an der Ostfront"
benötigt werden. Sein arrogantes und rücksichtsloses
Verhalten
stößt sofort auf Missfallen bei Brandt und
Hauptmann Kiesel, dessen Adjutant. Schon sein von Beginn an
geäußerter Wunsch nach Erringung des Eisernen
Kreuzes (Anmerkung: eine der wichtigsten Auszeichnungen der deutschen
Wehrmacht) lässt klar werden, dass dieser Mann nur auf den
eigenen Vorteil bedacht ist, ohne Rücksicht auf Verluste -
auch bei der eigenen Truppe. Schnell wird seine Gesinnung offenbar: er
verlässt den Bunker und just in diesem Moment trifft Steiner
mit seiner Gruppe ein, die einen uniformierten russischen Jungen im
Alter
von höchstens 14 Jahren mit sich führt.
Kaltblütig weist Stransky den Unteroffizier darauf hin,
daß er den Buben zu liquidieren habe, da bei Stosstrupps
keine Gefangenen gemacht werden dürften. Provokant reicht
Steiner ihm daraufhin seine Waffe und fordert den Hauptmann auf es
selbst zu tun. Gedankenschnell bereinigt Obergefreiter "Schnurrbart"
(Fred Stillkrauth), einer von Steiners Leuten, die
gefährliche Situation, indem er vorgibt den Jungen selbst zu
erschießen (Steiner lässt ihn dann später
heimlich laufen).
Ab diesem Zeitpunkt ist nun nicht mehr nur „der
Russe“ der Feind, auch Stransky und Steiner haben ineinander
tödliche Widersacher gefunden. Und die Konfrontation kann
somit nicht ausbleiben – für Stransky ist Steiner
ein subversives Element, ein Untergebener, der ihn vor
der
Truppe
lächerlich gemacht hat, für Steiner ist der Offizier
sowohl ein selbstsüchtiger Emporkömmling als auch die
Personifizierung des realitätsfremden und menschenverachtenden
OKW (Oberkommando der Wehrmacht), das jeglichen Bezug zum einfachen
Landser an der Front verloren hat.
Bei einem Angriff der Roten Armee erhält Stransky den Auftrag
einen Gegenangriff zu führen. Als die Granaten rund um den
Kommandobunker einschlagen, verlässt ihn aber im
entscheidenden Zeitpunkt jedoch der Mut und er versteckt sich.
Stattdessen führt Leutnant Meier den Angriff, der dabei ums
Leben kommt. Später behauptet Stransky den Gegenangriff selbst
geführt zu haben, um das eiserne Kreuz verliehen zu bekommen.
Als Zeugen beruft er den offensichtlich homosexuellen Leutnant Triebig,
seinen Adjutanten, den er vorher äußert manipulativ
unter Druck gesetzt hat, und Steiner. Steiner weigert sich seine
(vorverfasste) Aussage zu unterschreiben und bezichtigt stattdessen
Stransky der Falschaussage. Diesem wird daraufhin die Auszeichnung
verweigert.
Die Feindschaft zwischen den beiden wächst sich nun zu einem
Privatkrieg aus: durch andauernde Angriffe der Russen muß
sich das deutsche Armeekorps zurückziehen und Stransky
schmiedet einen teuflischen Plan - sein Hass ist inzwischen so
groß, dass er alle seine Einheiten darüber
informiert, dass dieser Rückzug unverzüglich
durchzuführen sei - bis auf Steiners Zug. Unwissend der
tödlichen Lage und eingekesselt gerät dessen Truppe
dadurch in eine schier ausweglose Situation. Mitten im Feindesland,
abgeschnitten von jeglicher Versorgung und Unterstützung
müssen sie versuchen durchzukommen. Stransky
spekuliert nun damit, daß Steiner und sein Zug bei
dem Angriff ihr Leben verlieren werden. Doch Steiner und seine Leute
schaffen es unglaublicherweise dem Inferno zu entrinnen. Sie
kämpfen sich durch die feindlichen Linien zurück,
begegnen unter anderem auch einer Gruppe weiblicher Sowjet-Soldaten.
Hier kommt es zu einer kritischen Szene des Films: überrumpelt
von Steiners Zug können sich die
größtenteils recht
jungen Frauen nicht wehren und
werden widerstandslos festgenommen. Doch einer von Steiners Leuten kann
sich nicht beherrschen: er zerrt in einem unbeobachteten Moment eine
junge Russin in einen Schuppen und will sie vergewaltigen. Doch er hat
nicht mit der Härte der bolschewikischen Frauen gerechnet: als
er die Frau zum Oralverkehr zwingt, beißt sie ihm die
Genitalien ab. Sein Schmerzensschrei lässt alle den Schuppen
stürmen. Steiner erkennt schnell die Lage und entscheidet
hart, aber gerecht: er überlässt seinen eigenen
Soldaten dem Schicksal und damit der Rache der Sowjetsoldatinnen -
diese töten daraufhin den Vergewaltiger (Anmerkung:
tatsächlich stand in der Wehrmacht auf Vergewaltigung von
weiblichen Gefangenen die Todesstrafe). Immer weiter kämpft
sich der Zug voran, immer mehr Soldaten verlieren ihr Leben. Als sein
auf
inzwischen die Größe einer Gruppe geschmolzener
Zug endlich die rettende Linie erreicht und einen Funkspruch zur
Kennung abgibt, geschieht das unglaubliche: Stranksy wittert eine
letzte Möglichkeit den verhassten Widersacher loszuwerden,
ignoriert die Meldung, dass Steiner seine Leute zur Tarnung als
gefangene deutsche Soldaten und bewachende Sowjets ausgibt, und weist
seine Kompanie an auf die anrückenden
„Russen“ das Feuer zu eröffnen.
Todesgefahren haben Steiner und seine letzten Mannen
überstanden, Freunde und Kameraden verloren, jetzt ist das
rettende Ufer zum Greifen nahe – und nun fällt einer
nach dem anderen im MG-Feuer der eigenen Leute. Lediglich Steiner
selbst überlebt, da im selben Moment tatsächlich die
Sowjets angreifen und die Kompanie ablenken. Schließlich
stehen sich die beiden Kontrahenten im feindlichen Angriff
gegenüber und Steiner zeigt Stransky,
„…wo die Eisernen Kreuze wachsen“.
Fazit:
Ich möchte meiner Rezension ein Zitat voranstellen:
Oberst Brandt: Warum haben Sie sich von Frankreich hierher
versetzen
lassen?
Hauptmann Stransky: Ich will das eiserne Kreuz.
Oberst Brandt: [in seine Tasche greifend] Sie können
eins von
meinen haben.
Ich denke, dass allein dieser Dialog sehr viel, wenn nicht sogar alles
über die Botschaft dieses Filmes aussagt. Aber der Film hat
weitaus mehr zu bieten als dieses zynische Wortspiel.
Scheinbar wahllos zusammengeschnittenes Material aus alten
Wochenschauen, unterlegt mit dem Kinderlied "Hänschen Klein"
von einem Jungen fast anklagend gesungen – so grotesk beginnt
der erste (und einzige) Kriegsfilm, bei dem Hollywood-Veteran Sam
Peckinpah am Ende seiner Laufbahn die Regie führte und
verantwortlich zeichnete. Und er schuf damit nicht nur einen der besten
(Anti-)Kriegsfilme aller Zeiten, sondern auch einen Mythos. Ein Genre
wurde durch diesen Film neu definiert, und hat seitdem einige Nachahmer
(z.B. Spielberg´s „Saving Private Ryan“)
gefunden, wurde aber nie mehr übertroffen.
Was macht „Steiner – das eiserne Kreuz“
nun so besonders? Er ist ein schonungslos harter, tiefgehender und
aussagekräftiger Antikriegsfilm, welcher ohne Umschweife die
Sinnlosigkeit und die Brutalität des Krieges anprangert.
Peckinpah´s Protagonisten sind
keine Ein-Mann-Armeen, die
sich durch die feindlichen Horden walzen, keine strahlenden Helden, die
den Ausgang eines Krieges korrigieren sollen – stattdessen
sind sie tragische Figuren, getrieben vom Schicksal, müde,
ausgelaugte und verbitterte Männer. Es sind nicht nur die
Kugeln, das Blut und der Tod um sie herum – sie selbst sind
es, dreckig, zerknittert und hoffnungslos, die beim Zuschauer Mitleid
aufkommen lassen. Peckinpah, selbst Absolvent einer
Militär-Akademie, bringt hier seinen charakteristischen Stil
voll ein, diverse Zeitlupen-Einstellungen im Gefecht und eine
schmutzige Atmosphäre, die an den Nerven kratzt, lassen den
Film hart und kalt wirken, die Gewalt ist bitter und geht an die
Nieren, die Sinnlosigkeit und der falsche Heroismus werden einem
unbarmherzig und durchgehend vor Augen geführt. Die Szenen
eines
Angriffs der Sowjets sind unglaublich dicht, Geräusche
und Gefechtslärm werden hervorragend eingesetzt und die
Großaufnahmen sind äußerst
präzise durchchoreographiert. Besonders beeindruckend sind die
Aufnahmen der drei T34-Panzer, die einem den Horror, den diese
Stahlkolosse ausgestrahlt haben, äußerst glaubhaft
vermittelt.
Noch etwas macht diesen Film außergewöhnlich: es ist
die Darstellung der Deutschen an sich. Anders als in den meisten
Filmen, die den 2.WK zum Thema haben, sind sie ausnahmsweise nicht die
„bad guys“, die bösartigen
Nazi-Killermaschinen und Kinderfresser, sondern einfach nur –
Menschen. Beraubt ihrer Ideale, nur noch von Tag zu Tag lebend,
verzweifelt aufs Überleben bedacht; bis auf eine einzige Figur
(ein eingefleischter Nazi, der dann auch nach der versuchten
Vergewaltigung von den Russinnen umgebracht wird) verachten sie alle
den Nationalsozialismus, Steiner selbst prangert in einer Szene den
politischen Extremismus an.
Um jeglichen revisionistischen Tendenzen gleich entgegenzutreten:
„Steiner – das eiserne
Kreuz“ ist kein Film, der die Geschichte umdeuten will. Er
ist vielmehr eine Allegorie auf jeden Krieg. Und in einem Krieg gibt es
nur Verlierer – auch wenn uns die Geschichte etwas anderes
lehren will (siehe Irak). Zitat: Speaking of the
nature of
war, Steiner speaks of an eternal battlefield, of trenches scarring the
earth a thousand years hence. "Take off one uniform and there's always
another one underneath," he says.
Mutant Chronicles: wenn man jetzt
den Film aufs Spiel umlegen will,
dann kommen hier mehrere interessante Aspekte zutage. Erstmal kann man
die Wehrmacht in diesem Film (mit Vorbehalt) durchaus der Armee von
Bauhaus gleichstellen. Es wäre plausibel und vorstellbar,
daß sich eine Einheit von Hussaren in einer
ähnlichen Situation befindet und die Handlung analog ablaufen
würde. Zweitens steht dann ausnahmsweise nicht die politische
und militärische Führung im Vordergrund, sondern der
einfache Soldat. Seine persönliche Perspektive, wie er den
Krieg erlebt und mit welchen Ängsten, Sorgen und v.a. mit
welchem zermürbendem Grauen und Schrecken er zu
kämpfen hat – Tag für Tag. Für
Bauhaus-Spieler ein fast desillusionierendes Erlebnis. Und letztendlich
einer der wichtigsten Charaktere – Hauptmann Stransky. Sein
Darsteller, Maximilian Schell hat davor (und leider auch teilweise
danach) oft in erbärmlich schlechten Filmen mitgespielt,
sodass es fast eine Wohltat ist, diesen großartigen
Schauspieler einmal in einer der besten Rollen seiner Karriere
bewundern zu können. Er stellt Stransky konsequent als
egoistischen Opportunisten dar, wie es sie leider viele in der
Wehrmacht und v.a. auch im OKW gab. Gerade dort tummelten sich im
letzten Drittel des Krieges viele (aristokratische) Ja-Sager und
Emporkömmlinge, die aus Feigheit und Machtgier ganze Armeen
und Divisionen verheizten (siehe z.B. Rommels Afrikakorps oder
Paulus´ 6.Armee in Stalingrad). Die Diskrepanz zwischen
preußischer Adelsschicht und dem einfachen Soldaten ist
sicher auch ein interessanter Faktor, der sich in MC umsetzen liesse.
Eines noch zum Schluß
(man gestatte mir diesen kleinen
lokalpatriotischen Hinweis): Steiner war 1976/77 mit seinen 15
Millionen Dollar Budget die bis dahin teuerste deutsche Filmproduktion
(oder besser: Co-Produktion). Zwar wurde er hauptsächlich in
Jugoslawien gedreht, aber teilweise auch auf dem
Truppenübungsplatz Allentsteig in Niederösterreich!
Bewertung (1-5): 


Verwendbarkeit (1-5): 
B.