Der Weg ohne Rückkehr
Akirenko – die gewaltige Stadt in
der Unterwelt des sonnenverbrannten Merkurs.
Ein zehnjähriger Junge
namens Sen Kodama lebte als Straßenkind in den ärmeren Vierteln der
Stadt und schlug sich mit kleinen Diebstählen durch. Eines Nachts
schlief er mal wieder mit hungrigen Magen unter einer Brücke, als er
etwas äußerst sonderbares sah. Mitten in der Nacht kamen Männer und
warfen Kisten ins Wasser, dann gingen sie wieder. Da die Kisten nicht
wie Abfall aussahen, fischte Sen eine von ihnen aus dem Wasser und
wunderte sich beim Öffnen noch mehr. Drinnen befanden sich die
Zeremonialgewänder und Waffen eines offensichtlich hohen Herrn und
seiner Gefolgschaft. Warum das weggeworfen wurde, blieb ihm vorerst
unklar. Sen nahm ein Daisho und ein Gewand, das natürlich viel zu groß
für ihn war, mit und versuchte es irgendwie zu verkaufen. Dabei wurde
die Polizei auf ihn aufmerksam und nahm ihn fest. Wie sich
herausstellte, war ein Fürst kürzlich von seinen eigenen Untergebenen
umgebracht worden und Sen hatte dessen Waffen und Kleidung gefunden. Im
Gefängnis vertrieb er sich die Zeit, indem er die vorbeitrippelnden
Ratten mit Steinen erschlug, um sich so eine Extramahlzeit zu
verschaffen. Eines Nachts kam ein Mann in seine Zelle und fragte ihn,
warum er sich Dinge genommen hat, die ihm nicht gehören und dass er ihn
deswegen sofort umbringen könnte. Sen erzählt ihm mit tränenerstickter
Stimme, dass er es aus Hunger getan hatte und weil er keine Eltern habe
und ganz allein sei auf der Welt. Der Mann blieb eine Weile still, dann
sagte er, dass er sich von nun an um ihn kümmern werde, aber er müsse
immer genau das tun, was er von ihm verlange, sonst müsse er auf der
Stelle sterben - und es würde sicherlich kein schneller und angenehmer
Tod sein, dass könne der Mann ihm versprechen. Dann gingen beide, der
Mann und der Junge gemeinsam aus der Zelle an schlafenden Wachen
vorbei, die nicht bemerken würden, wenn am nächsten Morgen ein kleiner
Dieb in der Zelle fehlen würde. So begann ein neues Leben für Sen. Für
seinen Boss, der zeitlebens geheimnisvoll und unnahbar für ihn bleiben
sollte, begann er Menschen auszuspionieren, zu bestehlen und
Kurierdienste auszuführen. Immer hielt er sich genau an die
Anweisungen, denn ein Fehler würde die versprochenen Konsequenzen
haben, und der Mann sah nicht wie jemand aus der zu Scherzen aufgelegt
war. Eines Nachts, Sen sollte einen Brief abgeben, wurde er von einem
Jungen in einer dunklen Gasse aufgehalten, der ein wenig älter war als
er. Zuerst verstellte er ihm nur den Weg, dann schubste er Sen
rückwärts und verlangte den Brief, den er zustellen sollte. Als Sen so
tat als wüsste er von nichts, zückte der Junge ein Messer und hielt es
Sen an den Hals. Jetzt müsste er den Brief hergeben oder er würde
sterben, sagte ihm der Junge und Sen fühlte wie langsam die Panik in
ihm hochstieg. Am Ende der Gasse, die in eine beleuchtete Strasse
überging, sah er einen Polizisten vorbeischlendern, er musste nur
schreien und der Alptraum wäre vorüber, er müsste keine Angst mehr
haben, könnte seinen Auftrag erfüllen und alles würde so weitergehen,
wie es das immer tat…. NEIN!!! Ein neuer Gedanke kam ihn in dem Sinn.
Dieses Arschloch wagte es ihn mit einem Messer zu bedrohen, ihn, der
einen wichtigen Auftrag für seinen Herrn zu erfüllen hatte. Die
Bestrafung musste härter ausfallen als einfach von einem Polizisten
verjagt zu werden. Tatsächlich war der Polizist schon wieder
weitergegangen und würde seinen Hilfeschrei, wenn überhaupt zu spät
mitbekommen. JETZT!!! Mit einem nahezu übermenschlich raschen Ruck
seines Kopfes zerschmetterte Sen dem Jungen das Nasenbein, drehte sich
um, nachdem sich der Griff um das Messer gelockert hatte, nahm ihm
dieses unter heftigen Faustschlägen der freien Hand ab und rammte es
dem größeren Jungen in den Bauch. Immer wieder stach er zu, wie im
Rausch schlachtete Sen seinen Angreifer geradezu ab. JA! GUT SO!!,
dröhnte eine Stimme in seinem Kopf, WEITER!!! Nachdem Sen
blutüberströmt neben der Leiche kniete, er hatte so oft zugestochen,
dass ihm schon die Kraft fehlte das Messer aus dem Körper des Jungen zu
ziehen, bemerkte er, daß er von seinem Herrn beobachtet wurde. Dieser
begann in die Hände zu klatschen und kam heran und strich ihm über das
Haar. „So, kleiner Sen“, sagte er, „ab heute bist du kein kleiner
Dienstbote mehr, du bist ein Mann geworden.“ Fragend hielt Sen seinem
Herrn die Botschaft hin, aber der nahm sie nur, um sie vor seinen Augen
zu zerreißen. „Das war übrigens Akira, kleiner Sen“, sagte Meister
Masakage und deutete auf die Überreste des Jungen, „sei also vorsichtig
wenn ich Dich ausschicke um eine Botschaft abzufangen, ne?“ Ungläubig
starrte Sen auf die Leiche, dann auf das Messer, das ihn von diesem
Tage an begleiten sollte. Denn nun war er ein Shadow Walker geworden.
G.